Wer glaubt, eine mental hochentwickelte Golferin wie ich hätte immer alles unter Kontrolle, der irrt. Auch ich kenne sie, die teuflische und selbst zerstörerische Ader, tief im Inneren lauert sie und wartet, irgendwann zuzuschlagen. Bei 31 Grad anlässlich der NRW-Seniorenmeisterschaften kochte mein Kontrollsystem über. Mein inneres wildes Tier befreite sich und murmelte bei jedem zweiten Schlag: was machst Du hier, Du hast doch gar keine Lust!
Eddi, meine innere Stimme, war lustvoll negativ. Er war ein böses Tier an diesem Tag. Kann ich ihm nicht verdenken, welchen Sinn hat es, bei über 30 Grad sechs Stunden in Ozon verseuchter Luft zu leiden? Dazu noch Pestizide zu inhalieren von Bauern nebenan, gemischt mit Düngerkügelchen auf den Golfplätzen? Golf, ein wahrlich die Gesundheit bedrohender Spaziergang? Ja, solche Gedanken melden dann den Nullpunkt der Golflust. Eddi und ich waren reif für Urlaub. Keine DM, kein Länderpokal, keine EM, alles abgesagt. Lustgewinn pur, weil plötzlich eine selbst bestimmte Freiheit und Freizeit.
Fremdbestimmung! Das ist es, was wir alle aushalten müssen, auch beim Golf. Termindruck, das Jahr ist verplant. Zeitdruck, um 8:00 Uhr pünktlich am ersten Tee. Teamdruck, die Liga will gewonnen werden. Trainerdruck, verdammt noch mal, wann ist die Technikidee drin im Kopf und besser noch im Körper. Familiendruck, Kinder und Hunde müssen Fressi und Gassi. Erwartungsdruck, wann kommt er endlich, der Erfolg. Trainingsdruck, ohne Üben geht nix (behaupten die anderen). Fitnessdruck, eigentlich läuft’s nur mit Konditionstraining und smarten gedehnten Muskeln. Clubdruck, bei dem Turnier müssen wir mitspielen, sonst ist XY sauer.
Wenn man ganz genau und ehrlich nachdenkt, kommt einem so manche Sinnfrage. Liegt vielleicht daran, dass ich 43 Jahre Golf spiele und so viele Medaillen gewonnen habe, dass es auf die eine oder andere nicht mehr ankommt.
Hin und wieder denke ich, der DGV sollte Geld für Meisterschafts-Platzierungen ausloben. Dann hätten vielleicht die Langzeitgolfer einen neuen Kick, an Turnieren teilzunehmen. Die jungen Golfer könnten früh genug üben, ob sie sich wirklich zum Profigolfer eignen. 1000 Euro für eine Goldmedaille? Tolle Idee, oder?
Folgende Maßnahmen gegen Druck oder den Golf-Burnout helfen: Seele baumeln lassen und nichts tun. Hinhören, was das Körpersystem meldet. Der Körper spricht, wenn die Seele leidet. Welche Gefühle wollen geachtet und erhört werden? Das ist die fundamentale und philosophischste Frage, die über Golf gespiegelt werden kann.
Wer hört wirklich hin, wenn Kinderseelen im Turnierwahn Schaden nehmen? Wer hört wirklich hin, ob das, was ich tue, genau das ist, was ich wirklich will? Mit unserer deutschen Gründlichkeit sind wir zuweilen gefährdet, uns zu sehr zu disziplinieren und zu quälen. Und dann gibt es ja noch die Etikette beim Golf. Alles verboten, was dem Gefühlsdruck Luft machen würde: Schläger schmeißen, Putter am Baum zertrümmern, dem Gegner eine reinhauen, Worte mit Zischlauten brüllen….ne, das wollen wir als zivilisierte Golfer alles nicht, obwohl es „gesund“ wäre und den Druckmachern zur Entladung verhelfen würde. Was als Ladung rein kommt, muss als Ladung raus. Sonst gibt es Systemstau.
Als Gefühlsforscherin kann ich Ihnen versichern, dass Golf einzigartig geeignet ist, Ihren Gefühlen auf den Grund zu gehen und bitte nicht auf den Leim. Tragischerweise verharren viel zu viele Golfer (besonders die Männer) in der Taktik, external zu attribuieren, also die Ursachen für bestimmte Ereignisse in äußeren Faktoren zu sehen. „Ich habe nur verloren, weil die Grüns so schlecht waren.“ Die abgespalteten und nicht gefühlten Gefühle sind wie dunkle Phantome und immer irgendwo da. Wir können sie mit Züchten im Zaum halten, wir können sie lange verdrängen, doch irgendwann zeigen sie uns den Weg auf oder schlagen zu (Krankheit, Schicksalsschlag etc.).
Golf ist und bleibt dann gesund, wenn Sie es als den Jakobsweg des Fühlens betreiben. Selbst bestimmt und sehr bewusst. Wer ist das schon, wer will das wirklich sein?
Liebe Freunde, Eddi und ich sind jetzt im Urlaub, und wir tun fast nichts. Vielleicht übermorgen ein Ründchen in der Abendsonne mit Blick auf’s Meer? Mal sehen, wer weiß schon, was übermorgen ist….
Herzlich