Die Vorbereitung auf das Turnier läuft gut. Die Bälle auf der Range fliegen mit jedem Schläger geradeaus, die Pitches finden in allen Distanzen das gewünschte Ziel, die Chips liegen zum Up-and-Down an der Fahne. Die Erwartungen an die vorgabenwirksame Runde sind groß, lief es doch auch in den Privatrunden im Vorfeld rund. An Tee 1 mischen sich vor dem ersten Abschlag ein bisschen Adrenalin und Vorfreude – und dann fliegt der Ball mit einer ungeliebten Kurve an eine Stelle des Platzes, an der der Spieler lieber nicht gelegen hätte. Die Enttäuschung ist groß, das Kopfkarussell beginnt. Was hatte der Pro doch noch gesagt? Rechten Ellenbogen runter, linker Arm gerade. Der nächste Schlag – und auch dieser misslingt. Was sollte ich noch machen? Darauf achten, dass die Hände vor dem Ball bleiben. Der Pitch rast getoppt über das Grün in die nächste Hecke. Kennen Sie das? Auf der Range alles bestens, auf dem Platz alles weg?
Beim Üben auf der Range ist es meist so, dass der Spieler keinen Druck verspürt, möchte er doch lediglich ein gutes Gefühl für seinen Schwung bekommen. Sobald der Spieler jedoch auf dem Platz ist, steht das Gefühl für den Schwung nicht mehr im Vordergrund, sondern der Wunsch nach einem niedrigen Score. Auf der Range schlagen viele Spieler Bälle, ohne sich an einem bestimmten Ziel auszurichten, auf dem Platz ist jedoch zielorientiertes Spiel gefragt. Prinzipiell ist Golf da wie Dart spielen: Ohne das konkrete Ziel vor Augen macht es eigentlich keinen Sinn. Bemühen wir uns, zielorientiert zu schlagen, möchte unser Unterbewusstsein seinen Anteil am Schwung haben und beginnt die Steuerung zu übernehmen. Wir denken, wir sind auf das Ziel ausgerichtet, tatsächlich stehen wir aber zu weit links. Das Unterbewusstsein bemerkt dies und gibt dem Körper das Signal, ein bisschen mehr nach rechts zu schlagen – und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.
Eins der ersten Dinge, das dem Golfer abhandenkommt, wenn die Bälle nicht wie gewünscht getroffen werden, ist der Schlagrhythmus. Verspüren wird Druck, werden wir häufig hektischer und schneller in unseren Bewegungen. Arme und Körper bewegen sich nicht mehr synchron, die Schlagfläche findet ihren Weg nicht mehr square an den Ball. Eine wunderbare Illustration der Bedeutung von Rhythmus im Golfschwung liefert ein mittlerweile fast zehn Jahre alter Werbespot von Nike mit Tiger Woods, den Sie auf youtube.com unter „tiger woods commercial range“ finden sollten. Die Spieler auf einer Driving Range hacken munter Bälle vor sich hin, die in alle Richtungen fliegen. Tiger Woods kommt auf die Range, und Walzermusik setzt ein. Zunächst schlägt der Spieler neben dem Profi besser, dann der nächste und so weiter. Schließlich spielt die ganze Range im Einklang ihre Bälle. Dann geht Tiger Woods wieder, die Musik verstummt, und die Bälle fliegen wieder in die verschiedensten Richtungen.
Das sagt der Prof Dennis Küpper:
„Unterschätzen Sie nicht die Bedeutung eines flüssigen Rhythmus im Golfschwung. Je weniger Sie Ihren Schläger bewusst steuern und je mehr Sie sich selbst und Ihrer Technik vertrauen, desto eher werden Sie das gewünschte Ergebnis erzielen. Wiederholbarkeit (Rhythmus) steht zu 90 Prozent vor jeder technischen Ausführung im Schwung. Beobachten sie einmal Tour-Professional vor einem Schlag – egal welcher. Die Routine beinhaltet sehr viel Rhythmus und „Spielgefühlsuche“. Ganz selten sieht man einen Spieler, der einen „Technikdrill“ ausführt, und damit spielt.
Techniktraining ist wichtig und essentiell für jeden Golfspieler – keine Frage. Häufig jedoch geht der Bezug zum tatsächlichen Spiel auf dem Platz verloren, weil die geübten Dinge zwar technisch korrekt ausgeführt werden, allerdings in einem Rhythmus, der keinen guten Golfschlag zulässt. Bestandteil Ihres Trainings – sowohl auf Driving Range oder dem Platz – sollten Übungen für den Rhythmus sein. Fragen Sie Ihren Pro nach Übungen dazu, er hat garantiert einige Vorschläge für Sie.“
Wenn es das nächste Mal auf der Runde nicht so läuft, wie Sie es sich wünschen, versuchen Sie nicht, direkt zahlreiche technische Änderungen an ihrem Schwung vorzunehmen, sondern konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihren Schwungrhythmus. Spüren Sie im Probeschwung, wie sich Arme und Körper synchron bewegen, finden Sie Ihre eigene optimale Geschwindigkeit. Vielleicht finden Sie eine Melodie, die auf Ihre Bewegung passt. Sie können auch in einem bestimmten Rhythmus zählen. Eventuell hilft Ihnen auch das Bild einer Schiffschaukel, eines Windmühlrads oder eines Metronoms. Seien Sie neugierig und spüren Sie in sich hinein, was Ihnen Ihr Gefühl sagt. Unter Druck kann es genau dieser Rhythmus sein, der Ihnen hilft, Ihren Schwung wiederzufinden.