Die Golfsaison 2012 ist vorüber. Die letzten Turniere sind gespielt, die letzten Scores aufgeschrieben, das Handicap, mit dem überwintert wird, steht fest. Der eine Spieler ist glücklich und zufrieden mit den erreichten Ergebnissen, der andere froh, dass die Saison vorbei ist, weil nichts so gelaufen ist, wie er es sich vorgestellt hat.
Werfen wir doch mal einen Blick zurück auf Ihre Saison. Sind Sie mit bestimmten Zielen im Frühjahr in die neue Saison gestartet? Wollten Sie ein gewisses Handicap erreichen? Oder wollten Sie im Turnier einen bestimmten Mindestplatz belegen? Und? Wie ist es gelaufen? Woran erinnern Sie sich? Wie ist das Gefühl, mit dem Sie in den Winter gehen?
Da hat jemand, für seine Verhältnisse, im Sommer eine hervorragende Runde gespielt. Doch die Bilder der Runde sind verblasst. Was sich aber ins Gedächtnis eingebrannt hat, ist der Vier-Putt am leichtesten Loch des Platzes. Ein anderer Golfer spielt in einem Turnier ausgezeichnetes Golf, seine Kommentare auf der Runde deuten aber eher darauf hin, dass er mit allem unzufrieden ist. „Der Pitch war technisch nicht gut.“ „Der Chip hätte näher an der Fahne sein sollen.“ „Den Putt habe ich etwas gepullt.“ In Kombination mit der Erkenntnis am „10.“ Loch, dass er für die vorangegangenen neun Loch Par liege, nahm dann das Schicksal seinen Lauf. Die Schläge wurden immer stärker kontrolliert, der Golfer verlor sein entspanntes Spiel. Statt der Runde seines Lebens kam er mit einem für ihn indiskutablen Score ins Clubhaus. Jeder, dem er es erzählte, bekam zu hören, dass er ganz gut angefangen habe und gar nicht wisse, was dann passiert sei. Aber er würde häufiger gut liegen und dann einbrechen.
Die bewusste Erkenntnis, wie gut es auf einer Runde läuft, ist meist der Anfang vom Ende. Statt das gute Spiel zu genießen und sich vom Rückenwind der gespielten Löcher durch den Rest der Runde tragen zu lassen, sind plötzlich Zahlenspiele im Kopf. Wie viele Punkte habe ich bisher, was passiert, wenn ich noch ein Birdie spiele, einen Ball ins Wasser schlage, weiter so präzise pitche oder nicht aus diesem Topfbunker herauskomme? Welches Handicap habe ich dann, was sage ich im Clubhaus? Der Fokus auf das eigene Spiel geht verloren, der Golfer verliert den Bezug zum Hier und Jetzt. Und schon kippt die Runde.
Aus der Sicht des Profis Dennis Küpper:
„Ich erlebe sehr häufig, dass Spieler einen tollen, unbeschwerten Start haben und dann einige Zeit diese Form beibehalten können. Doch beim ersten negativen Erlebnis des Tages sind Aussagen zu hören wie: „Jetzt verlier nicht die Kontrolle über dein Spiel“, oder „Bitte nicht wieder an diesem Loch ein Doppelbogey“.
Da geht es uns Profis nicht viel anders als den Amateuren. Auch in unseren Golfrunden gibt es immer wieder indiskutable Schläge und ausgelippte Putts. Wenn ich es schaffe, diese Dinge als Bestandteil der Runde zu akzeptieren, und Golf „spiele“, dann habe ich eine Chance, die gut angefangene Runde auch stark zu beenden.“
Wer gelegentlich Golf im Fernsehen schaut, hat vielleicht schon einmal festgestellt, dass die Professionals nur sehr selten negative Aussagen über ihr Spiel machen. Sie beantworten die Fragen der Journalisten meist nüchtern und positiv. Auch, wenn der Journalist das dritte Mal nach dem verpassten 20 cm Putt von Loch 7 fragt, ist es eher wahrscheinlich, dass der Spieler sein Gegenüber an den hervorragenden 15 m Putt an Loch 12 erinnert. Das liegt nicht daran, dass der Spieler keine Lust auf weitere Fragen hat, sondern daran, dass er diese positiven Formulierungen als selbstverständlich erachtet. Schließlich spielt er nicht umsonst auf einem solch hohen Niveau Golf. Der Glaube an sich selbst ist die sicherste Basis des Profis für sein Können.“
Die Gespräche im Clubhaus drehen sich nach Turnieren immer um die gerade gespielte Runde. Aber, haben Sie schon einmal genauer hingehört? Sind es nicht meistens die gelippten Putts, die getoppten Chips und die gesliceten Drives, über die geredet wird? Vielleicht spricht ein Golfer auch von einem tollen Abschlag, der unglaublich lang war, aber zum Longest Drive nicht gereicht hat, weil er im Rough lag. In den seltensten Fällen wird von Schlägen erzählt, bei denen einfach alles gestimmt hat. Das Gefühl war gigantisch, der Spieler war ruhig und fokussiert und hat einfach nur den Schwung genossen.
Schade eigentlich! Gerade eine intensive Auseinandersetzung damit, was wirklich gut gelaufen ist, ist die beste Grundlage dafür, dass es öfter gut läuft. Gute Schläge, eventuell auch im nachhinein mit starken, positiven Emotionen zu verbinden, führt dazu, dass diese fest im Gedächtnis verankert werden. Und, je öfter der Golfer daran denkt und in diesen gedanklichen Schubladen kramt, desto eher kann das Gehirn dem Körper vorgaukeln, dass er diese guten Schläge viel häufiger gemacht hat. Sie brennen sich in das prozedurale Gedächtnis, das für unsere Muskelbewegungen verantwortlich ist.
Ziehen Sie Ihre eigenen Lehren aus der vergangenen Saison. Seien Sie offen, ehrlich und reflektiert. Was ist besonders gut gelaufen? Warum ist es so gut gelaufen? Was haben Sie anders gemacht als sonst? Was waren die besonderen Umstände? Was lief nicht so, wie erhofft? Wie war Ihre Einstellung da? Welche Faktoren waren noch im Spiel? Kramen Sie einmal in ihrem Gedächtnis. Bauen Sie sich ganz bewusst Ihre „Highlight“-18 Loch auf Ihrem Heimatplatz zusammen. Aus jeder Runde nur die besten, eventuell auch glücklichsten Schläge. Sehen Sie die Bälle in traumhaften Kurven fliegen, spüren Sie den einzigartigen Ballkontakt, hören Sie das wunderbare Geräusch eines fallenden Putts. Erleben Sie diese perfekte Runde wieder.
Diese mentale Arbeit erfordert ein bisschen Zeit und Vorstellungsvermögen. Lassen Sie sich darauf ein! Halten Sie es wie Jack Nicklaus, der es sein „Going to the movies“ nennt. Er hat vor seinen Turnieren den Platz immer mit einem hervorragenden Score mental durchgespielt. Treten Sie in die Fußstapfen dieses einzigartigen Spielers und durchleben Sie Ihren ganz persönlichen Golf-Kinofilm!
Lernen Sie aus vermeintlichen Fehlern. Vielleicht haben Sie im Laufe der vergangenen Saison herausgefunden, was Ihnen hilft, besseres Golf zu spielen. Stört es Sie beim Putten, wenn jemand in der Verlängerung Ihrer Puttlinie steht? Gut, sprechen Sie es freundlich an. Haben Sie am Abschlag gestanden und ein Zipfel Ihrer Jacke hat geflattert? Sie haben gemerkt, dass es sie stört, haben es aber als lächerlich abgetan. Natürlich gehorchte der Ball dann nicht mehr Ihrem Spielplan. Sie haben sich über sich selbst geärgert. Kennen Sie das? Gut. Ändern Sie es! Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Wenn Sie etwas stört, dann ist das erst einmal so. Akzeptieren Sie es und lernen Sie, damit umzugehen.
Text: Kerstin Wittke-Laube und Dennis Küpper
Fotos: Torsten Laube