Rudolf Wagner – sein Handicap ist kein Handicap

Rudolf Wagner

Rudolf Wagner aus dem Golfclub Erftaue in Grevenbroich

„Hast Du schon gehört, der Rudi hat im Schmitzhof eine drei über gespielt?“ „Wow, bei dem Handicap!“, so sprach es sich weit über die Grenzen seines eigenen Clubs hinaus herum.

Der Rudi, das ist Rudolf Wagner aus dem Golfclub Erftaue in Grevenbroich, und das Handicap meint hier nicht die Spielvorgabe von aktuell 7,6, sondern die Tatsache, dass Rudi von Geburt an der linke Unterarm fehlt. Das hat ihn jedoch an sportlichen Aktivitäten nicht gehindert. Angefangen hat es mit Fußball in seinem Heimatort Grevenbroich-Neurath. Mit 23 Jahren wechselte er zum Tennis. Immer im Wettkampf mit nicht Behinderten spielte Rudi Wagner mit seiner Mannschaft in der Bezirksliga.

Als sich dann mit den Jahren Rückenbeschwerden bemerkbar machten, fand er über einen Freund zum Golfen. Stefan Königer als der damalige Pro im GC Erftaue, dem sich Wagner anschloss, erkannte schon sehr schnell das besondere Ballgefühl seines Schülers und prognostizierte: “Aus dem Rudi wird ein hervorragender Golfspieler!“ Gemeinsam entwickelten die beiden eine Griff- und Schwungtechnik, die auch einhändig und bei jedem Wetter einen präzisen und sehr effektiven Golfschlag hervorbrachte. „Anfangs habe ich einfach nur so rum gemacht, aber weil ich einer bin, der gerne trainiert, stellten sich schnell Erfolge ein.“

Trotz des Handicaps purzelte das Handicap. Im Jahr 2005 wurde auch der Behinderten Golfclub Deutschland (BGC) und dessen Nationalmannschaft auf den talentierten Grevenbroicher aufmerksam. Gleich bei der ersten Deutschen Meisterschaft reichte es zum Titel in der Kategorie „Arm“.

Die Spielvorgabe des damals 48-jährigen lag zu diesem Zeitpunkt bei 11,9, und in einem Interview äußerte sich Rudi Wagner so: „Ich kenne meine Grenzen, vor allem hapert es an der Länge. Ich komme beim Abschlag mit Müh und Not 200 Meter weit. Hätte ich zwei Hände, hätte ich sicher ein Handicap von vier oder fünf.“ Damals noch erwähnte er einen einarmigen Schweden mit Handicap 8, „der in Europa die absolute Spitze verkörpert, doch derlei Ansprüche sind mir fremd“.

Ehefrau Antonia und Sohn Thorsten teilten glücklicherweise von Anfang an die Begeisterung für den Golfsport, nur der Familienhund darf nicht mit auf den Golfplatz. Natürlich hat der Job des gelernten Diplom Betriebswirtes bei der AXA in Köln Priorität vor dem sportlichen Hobby, und auch das Schützenfest im heimischen Neurath hat Vorrang, so dass Rudolf Wagner den zeitlichen Aufwand für die Behinderten Nationalmannschaft mit Rücksicht auf die Familie auf eine Woche pro Jahr einschränkt. Einmal, 2008, hatte er sich zur Europameisterschaft in Finnland gemeldet, musste die Teilnahme aber wegen Krankheit des Vaters absagen.

Das macht den persönlich so bescheidenen Ausnahmesportler so sympathisch: Ihm liegt bei allem Engagement für die Jungseniorenmannschaft seines Heimatclubs Erftaue sowie dem Behindertengolf in erster Linie der sportliche Wettkampf am Herzen. Dabei richtet Rudi Wagner den Fokus darauf, Behinderte aller Kategorien zum Golfsport zu ermutigen und die Akzeptanz unserer Gesellschaft für die Belange und Bedürfnisse der Behinderten zu erweitern. Das formuliert er: „Leistung ja, aber die muss immer im Verhältnis zur speziellen Behinderung gesehen werden“.

Der BGC als nicht stimmberechtigtes Mitglied im DGV repräsentiert Golfer mit Handicap aller Kategorien, vom Blinden zu Rollstuhlfahrern. „Dafür setze ich meine Fähigkeiten gerne ein, und es braucht solche Typen wie mich, die sich offen und selbstbewusst für unsere Belange bei Einladungsturnieren der Nationalmannschaft im In- und Ausland einsetzen“, sagt Rudolf Wagner. So zum Beispiel bei den Offenen Österreichischen Meisterschaften , wo er den vierten Platz belegte. „Das ist immer eine Riesensause mit großem Spaßfaktor, und man schloss im Laufe der Jahre gute Freundschaften mit Mannschaftskameraden aus ganz Deutschland.“

Wenn Rudi Wagner vor 6 Jahren seine persönliche Schallgrenze beim Bogeygolf sah, so hat er seine Zielvorgabe mittlerweile deutlich heruntergesetzt. Im kontinuierlichen Training mit Erftaue-Professional Matthias Stenchly erarbeiteten die beiden Sommers wie Winters Schritt für Schritt detailgenaue Fehlerkorrekturen. Besonders die Videoanalyse des Scope Systems war hilfreich, um dem Einhandschwung im Treffmoment die optimale Stabilität zu ermöglichen.

„Irgendwann – auf die Frage des Pros nach dem Saisonziel – erschien mir eine Runde in den Siebzigern machbar.“ Und so minimierte sich die Spielvorgabe kontinuierlich, bis im Golf&Landclub Schmitzhof anlässlich eines Jungsenioren-Ligaspieles diese glänzende „75“ passierte. In seiner großen Bescheidenheit sagt er dazu: „Es lief einfach alles, und ganz großen Anteil an dem Erfolg hatte mein Caddy, Freund und Puttleser Lambert Brosch.“ Aber gelocht hat er die Bälle eben doch alle selbst!

Und beim nächsten Turnier in der heimatlichen Erftaue hat er das Ergebnis auch ohne Begleitung bestätigt: „Hätte ich nicht an der 16 einen Triplebogey geschossen, hätte ich mich wieder unterspielt“.

Super Rudi – vorbildlich in jeder Hinsicht, und weiter so!

Text und Fotos: Haide Watermeier

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