Golf gleicht einer Gratwanderung zwischen himmelhoch jauchzend und zutiefst betrübt. An einem Tag läuft alles wunderbar und wie gewünscht, an einem anderen fragt sich der Spieler, ob er den Schläger wirklich richtig herum hält. Zumeist sorgen wir auf dem Golfplatz für unseren eigenen Stress, denn Fehlentscheidungen, zu hohe Risikobereitschaft oder mangelnde Konzentration befördern die kleine weiße Kugel nur allzu oft dorthin, wo sie eigentlich nicht liegen sollte.
Wie im wirklichen Leben auch gibt es im Golf Sünden und Tugenden, die das Spiel beeinflussen. Erkennt der Spieler, was ihn mental straucheln lässt, ist er auf dem besten Weg, dem Golf seiner Vorstellungen näher zu kommen.
Zorn contra Gelassenheit
Zorn ist Ärger, und Ärger bedeutet Stress für Geist und Körper. Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin überfluten das System, der Golfer wird hinweggespült, zurück bleibt der Neanderthaler, der noch genau zwei Möglichkeiten sieht: Fight or Flight. Evolutionär betrachtet mögen diese Alternativen Sinn machen, einem effektiven Golfspiel (und unserer Gesundheit!) sind sie nicht zuträglich. Die Alternative lautet Gelassenheit. Der Glaube an sich selbst und an die eigenen Fähigkeiten sind der Schlüssel zum Erfolg.
Das sagt der Profi Dennis Küpper:
„Eine innere Ausgeglichenheit ist einer der wichtigsten Faktoren für eine gute Runde. Damit ist nicht gemeint, dass Sie wie ein Roboter durch die Gegend rennen sollen und keine Emotionen mehr zeigen, sondern von allem ein bisschen weniger machen. Weniger aufregen, wenn es nicht klappt, aber auch nicht jubelnd herum hüpfen, wenn etwas geglückt ist. Wir spielen unser bestes Golf, wenn wir uns wohlfühlen und glücklich sind. Das zeigen viele Beispiele aus dem Profisport. Bubba Watson hat 2012 das Masters gewonnen, obwohl er vorher überhaupt nicht trainiert hat. Einige Tage vor dem Turnier war sein Sohn zur Welt gekommen. Er spielte total übermüdet und ausgelaugt das Turnier mit, aber er war glücklich und spielte brillant!“
Missgunst contra Gönnen können
Bei einer Runde mit einem Flight-Partner, der pfuscht, schlecht spielt oder ähnliches, aber unglaubliches Glück hat, liegt der Gedanke an die Unfairness der Welt nahe. Der Spieler kommt ins Hadern, und schon fallen die eigenen Putts nicht mehr, Fehler schleichen sich ins Spiel ein, die Unzufriedenheit wächst.
Das ist bedauerlich, denn gute Golfschläge sind das beste Futter für das Selbstvertrauen. Freut sich der Golfer mit dem Flightpartner und erkennt die Leistung an, entstehen positive Emotionen. In dieser Gefühlslage lernt es sich besonders effektiv. Jetzt noch schnell ausnutzen, dass das Gehirn bei der Erinnerung an einen Ballflug nicht mehr unterscheiden kann, wer den Ball geschlagen hat, und schon ist eine eigene positiv besetzte Erinnerung entstanden. Golferischer Plagiarismus, wenn man so will.
Das sagt der Profi Dennis Küpper:
„Ich habe auf zahlreichen Profigolfturnieren gespielt und kann sagen, dass jeder anständige Professional einem anderen einen guten Schlag gönnt. Vor einigen Wochen konnte Adam Scott das Masters gewinnen. Nach seinem Sieg am zweiten Extra Loch gegen Angel Cabrera fielen sich beide Spieler in die Arme. Diese Bilder sind nicht gestellt. Beide Spieler hätten es dem anderen gegönnt, weil die sportliche Leistung des einen besser war als die des anderen. Golf ist ein Sport, und wenn einer besser spielt, dann ist das eben so! Ich kann entweder mehr üben oder mich darüber ärgern, was würden Sie tun?“
Zügellosigkeit contra Bescheidenheit
Es sind nicht die Golfer mit dem spektakulärsten Schlag oder der größten Weite, die den niedrigsten Score spielen. Ein Golfer, der sich selbst und seinen Fähigkeiten vertraut, ist unschlagbar. Überschreitet er den schmalen Grat zum Übermut, ist er verloren. Der praktische Schlag und nicht die schönere Variante ist der Schlüssel zum Erfolg. Der Plan, den sich der Spieler am Anfang der Runde zurechtgelegt hat, ist der Plan, mit dem auch der letzte Schlag auf der Runde noch gespielt werden sollte. Deswegen ist es ja ein Plan. Spontane Entscheidungen sind jederzeit möglich, aber die Standardfrage, die der Spieler sich stellen sollte, ist, ob der Schlag dem Ziel dient oder der persönlichen Bedürfnisbefriedigung.
Das sagt der Profi Dennis Küpper:
„Golf ist ein Spiel, in dem der Ball mit möglichst wenigen Schlägen von A nach B kommen muss. Wie diese Schläge aussehen, die Bälle fliegen oder rollen, ist der Scorekarte egal! Wenige Schläge lautet das Motto, nicht schöne Schläge. Diesen Fokus darf der Spieler nie aus den Augen verlieren. Golf ist und bleibt das unperfekteste Spiel, das es gibt!“
Text: Kerstin Wittke-Laube und Dennis Küpper
Fotos: Torsten Laube